Ich werde immer wieder gefragt, zu welcher Kamera bzw. Kamera-Objektiv-Kombination ich denn einem Einsteiger raten würden. Daher habe ich mir für diesen Blogeintrag mal ein paar grundlegende Gedanken zum Kamerakauf gemacht, die Euch hoffentlich ein paar Entscheidungsansätze geben.
Würde ich jetzt alle Eventualitäten einbeziehen, würde dieser Blogeintrag zu viele Fässer gleichzeitig aufmachen - und dann würde daraus ziemlich schnell ein E-Book werden :-).
Daher gehe ich zur Vereinfachung von folgenden sechs Annahmen aus:
Ihr möchtet eine digitale Spiegelreflex-Kamera haben (zu den Alternativen Kompakt-, Bridgekamera kann ich leider nichts sagen, da ich diese nicht besitze, über spiegellose Kameras sage ich im Laufe dieses Artikels noch etwas),
Ihr seid in diesem Kamerasegment noch relativ unerfahren und wünscht eine relativ einfache Bedienung,
Ihr wisst noch nicht genau, wo Eure fotografischen Interessen liegen (Personen, Makro, Landschaft, Urlaub?),
Euer Budget liegt zwischen 600 und 1000€,
Ihr möchtet nur begrenzt Gewicht mitschleppen und habt wenig Lust auf viel Objektivtausch.
Ihr wollt Spaß am Fotografieren und am Motiv haben und Euch weniger um Technik kümmern müssen.
Welcher Anbieter?
Zunächst einmal würde ich Euch ein Produkt eines der beiden Marktführer Canon oder Nikon empfehlen. Nicht weil die anderen (Sigma, Sony, Fuji usw.) nichts taugen, sondern weil es bei den Großen auch die meiste Auswahl an Drittanbieter-Produkten gibt. Das fängt bei Objektiven an und geht über Fern- bzw. Funkauslöser sowie vielen anderen Produkten weiter.
Ihr müsst wissen, dass Ihr Euch heute für ein System entscheidet, welches oftmals eine „Entscheidung fürs Leben“ ist. Ihr werdet in einiger Zeit merken, dass es bestimmte Zubehör- und Austauschteile von Drittanbietern oftmals nur für die beiden großen Hersteller gibt. Das mag heute noch kein Problem sein, aber Ihr werdet in den nächsten Jahren vielleicht einiges an Zubehör kaufen wollen. Irgendwann kommt aber der Punkt, wo Ihr Euch ärgert, dass es dieses Zubehör nur teuer beim Original-Hersteller, anstatt günstig bei Drittanbietern zu kaufen gibt. Dann habt Ihr aber schon so viel investiert, dass ein Wechsel nicht mehr in Frage kommen wird. Aus diesem Grund würde ich persönlich eher zu den beiden Großen greifen, aber das ist wie gesagt nur meine persönliche Einschätzung.
Spiegellose Kameras
Eine ernstzunehmende Alternative scheinen inzwischen die spiegellosen Kameras aus den Häusern Fuji und Olympus zu werden (bzw. Sony und Panasonic, diese hatte ich jedoch noch nicht in der Hand). Sie bieten bzgl. Bedienung und Objektivmöglichkeiten inzwischen ähnlichen Komfort wie die Spiegelreflexkameras, sind aber kleiner und leichter (wenn auch nicht billiger). Als Nachteile werden oft die kleineren Sensoren (Olympus), kurze Akkulaufzeiten und gewöhnungsbedürftige Sucher genannt, als Vorteile geringes Gewicht und Größe und innovative Technik.
Bildnachweis: http://fotoblog-reiseberichte.de/wp-content/uploads//2014/05/APSC-vs-MFT-04308.jpg
Derzeitige Vertreter sind beispielsweise die
Olympus OM-D E-M10 Mark 2
Und Fuji XT10
Preislich liegen beide inkl. Objektiv bei rd. 700-800€ (Stand Januar 2017)
Canon oder Nikon?
Egal! Beide spielen in der gleichen Liga und bieten absolut vergleichbare Produkte an. Nehmt Euch beim Fachhändler Kameras von beiden Herstellern in die Hand und entscheidet Euch aufgrund dessen, wie sie sich in der Hand anfühlen und ihr mit der Menüführung zurechtkommt. Es wird dann immer die richtige Entscheidung sein.
Wenn es das Budget hergibt, würde ich bzgl. des Gehäuses nicht ganz unten anfangen (Canon EOS 1300D oder Nikon D3400 bzw. Folgemodelle), sondern eine Stufe drüber gehen. Grund ist der erweiterte Bedienungsspielraum und die bessere Verarbeitung/Abdichtung.
Mein Tipp geht somit eher in die Richtung
Natürlich gehen auch die älteren Modelle. Wenn es allerdings darum geht Änderungen in den Kameraeinstellung vorzunehmen, finde ich die Touch-Displays sehr intuitiv und viel angenehmer zu bedienen als die teils umständlichen Knöpfe und Menüstrukturen.
Welches Objektiv? Hände weg von den 18-55mm Kit-Objektiven, denn ihr ärgert Euch später nur darüber.
Warum gibt es diese überhaupt? Weil eine Kamera ohne Objektiv doof aussieht! Jetzt schaut ein neuer Käufer aber zunächst oft mal aufs Geld. Ein teures Objektiv bedeutet höhere Kosten und dies treibt den Interessenten vielleicht zur Konkurrenz. Also baut man eine Plastikröhre mit Glas für billiges Geld und flanscht sie vor die Kamera. Ich habe das jetzt bewusst überzeichnet, aber die Erfahrung aus meinen Workshops zeigt, dass die Besitzer einer solchen Optik nicht wirklich glücklich sind, nicht zuletzt wegen des sehr begrenzten Brennweitenumfangs (mit 18-55mm bekommt ihr nur die Spanne zwischen einem leichten Weitwinkel und einem leichten Tele hin).
Viele kaufen im Anschluss noch ein 55-200mm-Tele-Objektiv dazu (150-300€, je nach Version) dazu. Dann habt ihr aber schon 2 Objektive zu schleppen mit dem weiteren Nachteil, dass ihr immer am Wechseln seid. Hinzu steigt die Gefahr, dass der Sensor Schmutz abbekommt. Was das Objektiv angeht, so habt Ihr zunächst am meisten Spaß mit einem, welches Ihr gar nicht wechseln müsst. Meine Empfehlung daher
Sigma 18-250 (ca. 300€)
Tamron 18-270 (ca. 300€) bzw. etwas günstiger das
Sigma 18-200 (330€).
Diese gibt es alle sowohl für Canon- und Nikon-Anschluss. Beide empfehle ich auf jeden Fall mit optischem Stabilisator. Achtet auf die Kürzel OS (Sigma), VC (Tamron).
Für ca. 200€ mehr gibt es auch die Originalobjektive der beiden Hersteller
(Kürzel IS bei Canon und VR bei Nikon).
Puristen werden auch hier sagen, dass es besseres gibt (was auch stimmt), Fotografie ist aber auch ein Spaßfaktor und den sollte man nicht durch ständiges an- und abschrauben von Objektiven beeinträchtigen. Die beste Kamera ist die, die Ihr dabei habt. Und die Chance dazu, dass Ihr sie dabei habt steigt, je weniger Gepäck Ihr schleppen müsst.
Damit solltet Ihr (nicht nur für den Anfang) glücklich werden. Und lasst Euch von Foto-Foren nicht verunsichern. Die aktuelleren Modelle von Tamron und Sigma kommen qualitativ durchaus schon in die Nähe der Markenhersteller. Die optische Qualität erschließt sich ohnehin oftmals erst im Labor und ist für Privatanwender zunächst gar nicht wirklich sichtbar. Werdet erst einmal mit dem einem Objektiv glücklich. Wenn Ihr herausgefunden habt, dass das Fotografieren auch auf Dauer Spaß macht, dann könnt Ihr immer noch die Objektive austauschen. Solltet Ihr beim Testen aber das Gefühl haben, dass ihr keine scharfen Bilder hinbekommt, dann zögert nicht, es zu reklamieren und Euch ein neues Objektiv schicken zu lassen. Sigma und Tamron haben leider offenbar nach wie vor Probleme mit der Endkontrolle ihrer Produkte (das ist wohl der Preis, den man für den günstigen Preis bezahlen muss).
Weitere Objektivempfehlung
Wenn Ihr dann noch 100-200€ für ein weiteres Objektiv übrig habt, empfehle ich Euch eine 50mm/1,8-Festbrennweite.
Ihr kennt die Bilder, auf denen ein Objekt im Vordergrund scharf und der Rest vorne und hinten total unscharf abgebildet ist?
So etwas bekommt ihr mit diesem Objektiv hin. Die anderen in diesem Blogbeitrag genannten Objektive sind für diesen Effekt nur bedingt geeignet. Dieses 50/1,8-Objektiv gibt Euch einen Schub an kreativen Möglichkeiten.
Gerade in der Landschaftsfotografie werdet Ihr früher oder später mit den bisher genannten Objektiven an Eure Grenzen stoßen und Euch einen weiteren Aufnahmewinkel wünschen
Hierzu empfehle ich ein Super-Weitwinkelzoom, z.B.
das 10-20mm von Sigma oder
Damit sind jeweils richtig außergewöhnliche Aufnahmen möglich, vor allem, wenn sich ein Bildmotiv äußerst nah an der Linse befindet!
Weiteres Zubehör
Glasfilter/Schutzfilter/UV-Filter als Objektivschutz. Mein Tipp: verzichtet darauf! Die Billigen sind nicht vergütet und mindern Eure Objektiv- und somit Bildqualität zum Teil deutlich. Und die richtig hochvergüteten Filter kosten gleich mal zwischen 50-100€. Bei einem Sandsturm hole ich die Kamera erst gar nicht raus (mit dem Argument wollte mir ein Verkäufer mal einen Filter aufschwatzen). Ich habe keine mehr.
Fotonachweis: http://fotofilter-online.de/wp-content/uploads/2015/03/Fotolia_35871665_XS.jpg
Gegenlicht- (Streulicht)-Blende: Diese sind für wenig Geld zu haben und bei den meisten
Objektiven ohnehin schon dabei. Diese schützt Eure Linse viel besser, vor allem bei einem Stoß. Ich lasse meine Gegenlichtblende immer drauf und spare mir in der Fototasche dadurch sogar den nervigen Frontdeckel.
Stativ, oder nicht Stativ, das ist hier die Frage. Die Antwort auf dieses Frage ist: ich besitze zwar eines, lasse es aber seit Jahren konsequent zu Hause! Mich hat es jahrelang genervt das Teil mitzuschleppen und ständig gab es Theater bei der Gepäckannahme, da es genau die 2 kg waren, die die Koffer zu schwer waren. Hab ich es mal mitgenommen, habe ich im Urlaub vielleicht 2-3 wirklich wichtige Bilder damit gemacht. Und selten war eines dabei, welches ich nicht mit einer, auf einer Brüstung oder einem Felsen, aufgelegten Kamera nicht auch hätte machen können. Das reicht wg. Verwacklung bei den billigen Stativen zwar nicht für nächtliche Langzeitaufnahmen, dafür sind die meisten leichten Stative aber ohnehin zu schwach. Es sei denn, Ihr leistet Euch ein spezielles Reisestativ aus Carbon, wie z.B. von Rollei oder Manfrotto, die liegen jedoch schnell mal bei 200-300€.
Schultergurt: Die Kamera wird angeschraubt und über einer Schulter quer über der Brust getragen. Die Kamera liegt hierbei an der Hüfte und kann auch nach hinten verschoben werden. Über eine Führung am Gurt seid ihr immer schnell „schussbereit“. Hinzu kommt, dass Ihr bei einem Stadtspaziergang nicht ausseht wie der typische Tourist. Und ein Stahlseil hindert einen Dieb daran, den Gurt zu zerschneiden. Finde ich persönlich eine tolle Sache. Es gibt sicher eine Menge mehr, wir kennen jedoch nur Black Rapid und Sun Sniper - rd. 60€. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen, u.a. speziell für Frauen mit einer geschwungenen Schulterauflage, damit der Gut nicht direkt über die Brust geführt wird. Wir haben beide getestet und nutzen aus Überzeugung die Sun-Sniper.
Blitz: die Einsteigerblitze der Originalhersteller kosten relativ viel Geld (Nikon SB 700 275€, Canon Speedlight 430 EX II für 240€) und bieten neben der guten Qualität auch noch einige Vorteile, beispielsweise was die Fernsteuerung von Blitzen angeht. Wer auf das Budget schaut und diese Funktion nicht unbedingt braucht, wird bei Yongnuo fündig (YN468 II i-TTL für 70-80€ (entweder für Canon oder Nikon-Anschluß). (Achtung: es gibt hierfür verschieden Varianten für verschiedene Kameras - bitte beim Kauf beachten). Achtete dabei, dass Euer Blitz TTL-fähig ist, was bedeutet, dass er mit der Kamera kommuniziert. Die Kamera misst die benötigte Blitzlichtmenge durch das Objektiv und teilt dies dem TTL-Blitz mit, welcher dann nur diese Menge an Licht abfeuert. TTL heißt übrigens "through the lens".
Funkauslöser: spannend wird das Blitzen erst richtig, wenn der Blitz nicht auf der Kamera sitzt, sondern von schräg vorne, seitlich oder gar von hinten kommt. Hierzu braucht man lediglich ein Funkfernauslöser/-empfängerset, wie z.B. den Yongnuo RF603 für rd. 30€ das Paar (Achtung: es gibt hierfür verschieden Varianten für verschiedene Kameras - bitte beim Kauf beachten, weshalb ich bei diesem Produkt auf die Verlinkung verzichtet habe). Der Blitz mit Funkempfänger wird entweder durch einen Assistenten gehalten oder alternativ auf ein Stativ geschraubt, z.B. das Walimex Pro FT-8051 Lampenstativ (260 cm) oder das etwas leichtere Walimex Pro WT-803 Lampenstativ (200 cm), beide 20-30€.
Bildbearbeitungsprogramme: ich schwöre ja auf das Adobe Lightroom 6 (100-110€). Es ist zwar anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, weil nicht immer selbst erklärend, aber der Funktionsumfang ist für dieses Geld einfach gigantisch. Für die ambitionierteren unter Euch gibt es auch noch die Adobe Creative Cloud. Diese umfasst Lightroom UND das große Photoshop. Dieses Bundle wurde mit dem Abomodell (Monatsgebühr 10-12€) von Adobe m.E. recht erschwinglich gemacht. Investiert auf alle Fälle auch noch mal 30-40€ für ein Buch oder ein Lernprogramm. Das Geld ist gut angelegt! Auch bei YouTube gibt es hunderte Videos darüber.
Seminare Viele weitergehende Tipps zur Technik, fotografischen Tricks und Umgang mit der Kamera gibt es auf unseren Seminaren und Workshops, unter anderem zu den Themen
Hierzu mehr unter „Services/Workshops“ auf unserer Homepage!
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Ich hoffe, ich konnte Euch ein paar wertvolle Informationen und Anregungen geben!
Roger Rachel